Presseartikel
Technik-Denkmal wird lebendig
Auf dem früheren Rangierbahnhof in Hilbersdorf wird heute das neue Museum Seilablaufanlage offiziell eröffnet. Sie ist die weltweit letzte ihrer Art.
Freie Presse
Von Michael Brandenburg
Sie ist noch seltener als der Versteinerte Wald. Während durch Vulkanausbrüche verkieselte Pflanzen nicht nur in Chemnitz gefunden wurden, ist die Seilablaufanlage auf dem ehemaligen Rangierbahnhof in Hilbersdorf laut ihren Betreibern die weltweit einzige erhaltene ihrer Art. "Es gab ab 1928 noch eine zweite in Dresden, die wurde aber nach 1945 abgebaut", berichtet Wolfgang Vogel, der Vorsitzende des Vereins Eisenbahnfreunde "Richard Hartmann". Seit Ende 2009 haben die derzeit knapp 30 Vereinsmitglieder gemeinsam mit vielen Helfern auf dem früheren Rangiergelände einen funktionsfähigen Abschnitt der Chemnitzer Anlage, die von 1930 bis 1991 in Betrieb war, als technisches Denkmal wieder aufgebaut und im dazugehörigen Befehlsstellwerk eine Ausstellung dazu eingerichtet. Beides gehört zum neuen Technikmuseum Seilablaufanlage, das heute Vormittag mit Gästen aus Politik und Wirtschaft offiziell eröffnet wird.
Bei dieser Gelegenheit soll gleichzeitig der symbolische Start für die Sanierung des dritten Teils der früheren Anlage und des heutigen Technikmuseums vollzogen werden: "Erst wenn wir unsere Besucher auch ins historische Maschinenhaus führen können, erhalten sie einen kompletten Überblick über die technische Rarität", sagt Vogel.
In dem ebenfalls bis 1930 errichteten Maschinenhaus, das auf dem Gelände des benachbarten Sächsischen Eisenbahnmuseums steht, befinden sich die noch funktionstüchtigen elektrischen Antriebsmaschinen aus der Zeit vor 80 Jahren. Doch Dach, Wände und Fenster des Maschinenhauses sind marode. Ermöglicht werden die insgesamt rund 165.000 Euro teure Gebäudesanierung und die Verlängerung der Gleise um etwa 500 Meter durch Fördergelder von Bund, Land, Stadt und Deutscher Stiftung Denkmalschutz. Zudem erbringen die Eisenbahnfreunde hohe Eigenleistungen, beispielsweise beim Gleisbau. Einen Zeitplan für die Maschinenhaus-Sanierung kann Vogel allerdings noch nicht nennen. "Das hängt von vielen Faktoren ab", sagt er.
Parallel dazu wollen die Vereinsmitglieder in den nächsten Jahren an der Strecke zwischen Befehlsstellwerk und Maschinenhaus mehrere Stationen für die Museumsbesucher errichten, so eine mit Vorführungen zum Gleisbau und einen Signal-Garten. Hin und her befördert werden sollen die Gäste mit dem "Maschinenhaus-Express", einem alten Schienenkleinwagen, der gerade noch aufgemöbelt wird. "Jungfernfahrt soll Mitte September zum Heizhausfest im Eisenbahnmuseum sein", kündigt Vogel an.
Der neue Bahnsteig dafür am Befehlsstellwerk ist bereits fertig und wird heute bei der Eröffnungsfeier genutzt. Morgen von 9 bis 14 Uhr ist das Museum wieder für Jedermann geöffnet. 9.15 und 11.30 Uhr werden dann Wagenabläufe auf der Seilablaufanlage vorgeführt. Außerdem sind im Museum erstmals Videofilme mit Erinnerungen von Chemnitzer Eisenbahnern zu sehen.
Technik- und Eisenbahnmuseum arbeiten gemeinsam an der Verwirklichung der Vision von einem großen Eisenbahn-Themenpark. "Unser Gelände würde sich auch gut für die Sächsische Landesausstellung zur Industriekultur eignen, die ja 2018 in Chemnitz stattfinden könnte", sagt Vogel. Auch der Fundort des Versteinerten Waldes sei nur wenige 100 Meter entfernt.
Anlage bremst rollende Güterwagen am Ablaufberg
Der Rangierbahnhof Hilbersdorf wurde von 1896 bis 1902 errichtet. Auf dem Ablaufberg des Gefällebahnhofs wurden die Wagen ankommender Güterzüge von der Lok abgekuppelt und rollten sechs Ablaufgleise herunter über Weichen, um zu neuen Zügen zusammengestellt zu werden. Ab 1930 wurde dafür eine Seilablaufanlage eingesetzt, die der aus Leipzig stammende spätere Bundesbahn-Chef Edmund Frohne erfunden hatte. Sie ersetzte drei Rangierlokomotiven. Mit flachen Seilwagen, die zwischen den Schienen auf- und abgezogen wurden, wurde die Geschwindigkeit der abrollenden Wagen reguliert. 1991 wurde die Seilablaufanlage stillgelegt und Ende 1996 der Rangierbahnhof geschlossen. Ab 1997 wurden die Gleise demontiert.
Das Technikmuseum Seilablaufanlage in Chemnitz-Hilbersdorf, Ebersdorfer Straße 2, ist von März bis Oktober jeden ersten Samstag im Monat von 9 bis 14 Uhr und nach Vereinbarung (Telefon 0172 3701179) geöffnet. Der Eintritt kostet 1,50 Euro. (mib)
Quelle: http://www.freiepresse.de/LOKALES/CHEMNITZ/Technik-Denkmal-wird-lebendig-artikel8449642.php, http://www.freiepresse.de/LOKALES/CHEMNITZ/Technik-Denkmal-wird-lebendig-artikel8449642-2.php
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